Wohnen in Homeoffice-Zeiten – ein Plädoyer für mehr Raum

Die aktuelle Lockdown-Arbeitsweise hat eins gezeigt: Wohnraum braucht eine neue Planung.

Nehmen wir als Beispiel eine 4-köpfige Familie mit zwei arbeitenden Eltern und zwei schulpflichtigen Kindern – eins in der Grundschule, eins in der höheren Schule. Wenn also beide Eltern im Homeoffice arbeiten, benötigen beide einen Arbeitsplatz, also zumindest ein Schreibtisch, wo ein Laptop Platz hat und wo in Ruhe eine Videokonferenz abgehalten werden kann. Gleichzeitig braucht jedes Kind ebenfalls einen Tisch zum sich ausbreiten – Hefte, Bücher und sonstige Unterlagen nehmen nicht gerade wenig Platz ein, zusätzlich zu einem Laptop oder Tablet, um mit den Lehrenden zu konferieren.
In diesem Beispiel können wir außerdem davon ausgehen, dass diese Familie vermutlich in einem „open-floorplan“ geplanten Haus bzw. Wohnung leben, also Küche und Wohnzimmer eine so genannte Wohnküche ergeben. Es ist also nicht möglich, dass ein Elternteil in Küche oder Wohnzimmer am Tisch sitzt, während die Kinder gerade Freizeit haben.

Wunsch Nummer 1: keine Wohnküche, kein „open-floorplan“, sondern getrennte Räumlichkeiten für kochen, wohnen, arbeiten, schlafen

Bei einer 4-köpfigen Familie bedeutet das also: 3 Schlafzimmer (Kinder brauchen in ihren Schlafzimmern Platz zum Lernen), min. 1 Arbeitszimmer und Küche und Wohnzimmer getrennt – ergibt also eine 5-Zimmer Wohnung (bzw. Haus).

Wenn man sich allerdings die grässlichen minimalistischen Kuben anschaut, die Architekten heutzutage als Reihenhäuser und Doppelhaushälften planen, so ist in den Grundrissen noch nicht einmal Platz für einen einzigen Schreibtisch (ich rede hier von einem ca. 80 x 140cm großen Tisch!). In diesen „Hühnerställen“ sollen angeblich 4 Menschen wohnen können. Ein „Standard“-Haus wie es heutzutage geplant wird, fällt mit der Tür ins Haus – wenn man Glück hat gibt es zumindest einen Eingangsbereich, der getrennt ist von der dann anschließenden Wohnküche. Vielleicht hat man noch das Glück, ein kleines WC im Erdgeschoss zu haben. Mehr aber auch nicht. Kein Arbeitszimmer oder Gästezimmer und oft ist noch nicht einmal die Treppe räumlich abgetrennt. Im Obergeschoss befindet sich dann meist ein auf wenige Quadratmeter eingequetschtes Bad, das im Fall von 4 Personen also mehr als ausgelastet ist! Die drei Schlafzimmer werden auch nur für die notwendige Einrichtung geplant: Bett und Schrank. Wie gesagt: Platz zum Arbeiten im Homeoffice gibt es in dieser Planung nicht!

Nehmen wir einmal an, dass wenigstens ein Elternteil selbständig ist, wird der Wunsch nach einem räumlich abgetrennten Arbeitszimmer noch größer – nicht nur aus steuerlichen Gründen! Nehmen wir an, dass beide Elternteile ohne Probleme im gleichen Arbeitszimmer arbeiten können, besteht immer noch der Wunsch nach einem räumlich getrennten Arbeitszimmer! Wie sonst sollen Meetings abgehalten werden? Am Esstisch während um einen herum die Kinder laufen? Sicher nicht.

Wunsch Nummer 2: Liebe Architekten, plant doch einmal realistisch!!!

Ein „Standard“-Haus sollte wenigstens genug Platz haben, um ein eigenständiges Arbeitszimmer einzurichten! Und ich rede hier nicht von 9 Quadratmetern! Und auch die „offene Küche“ ist nicht jedermanns Sache – es muss nur einmal Schnitzel gebraten werden, damit das gesamte Erdgeschoss nach Bratenfett riecht? Während dem Kuchenbacken wird gleichzeitig fern geschaut? Eine Küche, bei der man einfach die Türe zu machen kann, ist ein Segen!

Abgesehen davon: Wer will freiwillig Ellenbogen an Ellenbogen zu seinen Nachbarn wohnen? Warum werden immer noch so viele Reihen- und Doppelhäuser geplant? Die Grundstücke sind zudem meist so winzig, dass man selbst die Terrasse nicht genießen kann, geschweige denn Platz hat, um zum Beispiel ein Gemüsebeet anzulegen. Klar, manche wollen es vielleicht so, weil ihnen das Rasenmähen auf den Keks geht, aber es gibt immer noch genügend Menschen, die gerne ihre Ruhe haben wollen und nicht ständig über den Zaun beobachtet werden wollen.

Wunsch Nummer 3: Liebe Immobilienentwickler, Profit kann man auch mit Platz machen!

Es ist schon klar, dass ein 500 Quadratmeter Grundstück mehr Profit abwirft, wenn man darauf auf kleinstem Raum soviele Wohneinheiten wie nur möglich schafft. Aber dann plant doch einfach ein Mehrfamilienhaus auf mehreren Ebenen anstatt Menschen wie Sardinen nebeneinander einzupferchen!

Fazit: Es muss sich ganz grundlegend an der Planung von Wohnungen und Häusern etwas verändern, denn die Pandemie hat gezeigt, dass Wohnen und Leben zwei unterschiedliche Dinge sind, vor allem, wenn Arbeiten von zu Hause aus zur Regel wird.

Back to Top